MAZ vom 12.06.2007 von Sebastian Scholze

Thomas Schubert bewohnt das Forsthaus Nordtor seit den 80er Jahren und saniert es jetzt

GOLM Es ist nicht leicht, ihn aufzuspüren. „Der lebt so alternativ. Ich glaubÂ’, der hat kein Telefon“, sagt skeptisch eine Nachbarin. Diese Legendenbildung um seine Person und den Umstand, dass er mitten im Wald allein wohnt, lässt Thomas Schubert amüsiert lächeln.

Es begann mit einer fixen Idee. „Ich wollte Anfang der 90er, nachdem man meinen Studiengang an der Humboldt-Universität plötzlich geschlossen hatte, unbedingt aus Berlin raus, direkt und unmittelbar aussteigen, wollte draußen arbeiten, nachdenken, Bücher lesen. So sah mein Lebensplan als 22-Jähriger aus“, erzählt Schubert. Auf einer Zugfahrt entstand beim Blick aus dem Fenster auf eine hügelige Landschaft der Traum, ein Haus im Wald zu haben. Der Schüler Rudolf Bahros begann als naturkundlicher Führer in der Waldschule zu arbeiten, der ehemaligen Wildmeisterei im Wildpark. „Die Revierförsterin machte den Kontakt zu Käthe Dreyer, der Witwe eines Forstmeisters. Gegen das Versprechen, ihr zu helfen, durfte ich als Untermieter ins Forsthaus Nordtor ziehen“, erinnert sich Schubert beim Gespräch in der Küche. „Es gab Strom, aber die Witwe, damals weit in ihren Achtzigern, war der Meinung, den könne man sparen, wenn man mit den Hühnern aufsteht und zu Bett geht.“

Nach dem Tod Dreyers wurde Schubert Hauptmieter. „Ich habe eine kleine DDR-Miete gezahlt, aber ein Vielfaches in Reparaturen gesteckt. Technisch steht das Haus inklusive Plumpsklo auf einem Stand zwischen 1842 und 1932.“ Schubert kennt sie noch, die Nächte, nach denen er mit einem Hammer die Eisschicht auf dem Wassereimer aufbrechen musste, um sich einen Kaffee kochen zu können. Er liebt sein Domizil: „Der Frühling ist herrlich. Es ist wunderbar zu wissen, dass die Schwalben am ersten Mai kommen. Die Einsamkeit im Winter, wenn keine Jogger und Wanderer mehr vorbei kommen, ist unglaublich. Dann kann man beim Lesen alter Bücher auch die Atmosphäre ihres Entstehens nachempfinden.“ Erst nach einem Jahr im Forsthaus erkannte Schubert beim Wandern, zurück auf den Wildpark blickend, überraschend die Landschaft wieder, in die er sich einst auf der Zugfahrt verliebt hatte.

Als die Behörden im Herbst das Forsthaus verkaufen wollten, räumten sie Schubert trotz der 14 Jahre als Bewohner kein Vorkaufsrecht ein. „Ich wollte das Haus kaufen, begann mich aber innerlich davon zu verabschieden, als bereits beim ersten Besichtigungstermin 170 Menschen vor meiner Tür standen. Es kamen nette Leute, die nur mal neugierig waren. Es gab aber auch finanziell und automobil schwergewichtige Makler und Anwälte, die mir unverhohlen drohten, sie würden Methoden kennen, einen Mieter wie mich schnell los zu werden. Meine Familie war über die Jahre weder von meiner Wohnsituation noch meinem Plan, das Haus zu sanieren, überzeugt. Doch im entscheidenden Moment erfuhr ich Verständnis, Unterstützung und eine Begeisterung, die mir sehr geholfen haben und für die ich dankbar bin.“

In fünf Jahren will Schubert die behutsame Sanierung abgeschlossen haben. „Mir ist es wichtig, die Erinnerungen im Haus zu bewahren, die Inschriften russischer Soldaten, die Überbleibsel aus der Kaiserzeit. Wenn ich die Wahl zwischen neuen, denkmalgerechten Fenstern und der Aufarbeitung der alten habe, entscheide ich mich für die alten.“ Die denkmalgeschützten Schuppen stehen nun wieder gerade, die neue Küche nimmt Gestalt an, und ein kleiner Garten ist ebenfalls entstanden.

Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, wird Schubert auch wieder Zeit für eine seiner Passionen haben. „Mit meiner Freundin Sandra Gabbert habe ich einen kleinen Wissenschaftssalon organisiert, Historiker, Philosophen eingeladen. Der Ort ist ideal für Begegnungen, wie man sie sich vielleicht für den Garten des Akademos vorstellen mag.“ Bis zu 30 Gäste kamen, um in Schuberts Bibliothek bei Wein und gutem Essen das Gehörte zu diskutieren. „Es scheint, als fügen sich in der Realisierung meines jahrelangen Traumes auch all die verschiedenen Wege zusammen und gewinnen einen Sinn.“