Aus Potsdamer Neueste Nachrichten | 23.03.2004
Von Henry Klix
Schwielowsee/ Potsdam. Steht Potsdam durch die geplante Netzverknüpfung neuer Ärger mit der Unesco-Welterbekommission ins Haus? Rechtsanwalt Dr. Peter Kunz ist sich sicher: Wenn die Straße wie geplant durch den Wildpark verläuft, dann ist der so genannte „sachliche Bereich“ des Unesco-Schutzgebietes betroffen. Kunz ist geschäftsführender Vorstand des neuen Wildpark e.V., der sich mit seinen mittlerweile 230 Mitgliedern – am Freitag trat der komplette Anglerverein mit 50 Geltowern ein – massiv gegen die Potsdamer Ortsumgehungsstraße zur Wehr setzt. Und tatsächlich taucht in der Potsdamer Denkmalbereichssatzung zum Schutz der Kulturlandschaft in „Anlage 3“ der Wildpark auf.
Die Satzung setzt Völkerrecht in Landesrecht um. Neben der 1833 durch Lenné entworfenen Gartenanlage stehen die Försterhäuser (Nordtor, Südtor, Sanssoucitor) die Wildmeisterei, das Bayrische Haus und das ehemalige Gehöft des Entenfängers als Einzeldenkmäler innerhalb des in der Satzung definierten Denkmalbereiches. Zusätzlich zum unmittelbaren, „räumlichen Bereich“ des Welterbe-Gebietes sind in den „sachlichen Bereichen“ Areale festgelegt, die in optischem Bezug zum Weltkulturerbe stehen. Und dazu, betont Kunz, gehöre der von Hermann Sello gestaltete Wildpark als Übergang des höfischen Parks zur geschmückten Havellandschaft. „So steht es schwarz auf weiß in der Satzung.“
Selbst wenn der Wildpark seit dem zweiten Weltkrieg verwahrloste und durch den Bau des Berliner Eisenbahnrings 1957 bis 1959 zerschnitten wurde, habe er seine Bedeutung nicht eingebüßt, meint Kunz. Die Lennésche Anlage sei in ihren Grundzügen und Sichtachsen erhalten geblieben. Die Denkmalschutzbehörde dürfte aus KunzÂ’ Sicht keine Genehmigung für die Netzverknüpfung erteilen, die sei laut Brandenburgischem Denkmalschutzgesetz aber erforderlich. Ohne diese Genehmigung dürfte kein Raumordnungsverfahren zur Planung der Trasse eröffnet oder wieder aufgenommen werden. „Im Raumordnungsgesetz ist es als Planungsauftrag formuliert, dass Denkmäler und Naturschutzgebiete zu erhalten sind“, sagt der Jurist. Sollten die Entscheidungsträger in Bund und Land wissentlich Rechtsbeugung begehen, so müsste aus seiner Sicht „die Staatsanwaltschaft aktiv werden“. Gegenüber der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg, dem Landesbauministerium und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe habe er auf diesen Umstand bereits aufmerksam gemacht, so der Anwalt mit Kanzlei am Berliner Adenauerplatz.
Potsdams Stadtkonservator Andreas Kalesse will zwar seine Position zur Netzverknüpfung nicht in der Zeitung lesen. Eine Diskussion, dass der Wildpark zum Weltkulturerbe gehöre, müsse jedoch „ins Leere führen“. „Dass er in der Anlage der Denkmalbereichssatzung auftaucht, ist einfach ein Schreibfehler“, betonte er gegenüber den PNN. Weder in der zur Satzung gehörigen Karte noch im eigentlichen Hauptteil der Satzung tauche der Wildpark auf. „Er ist irgendwie in den Text der Anlage hinein gerutscht, daraus lässt sich aber nichts konstruieren“, sagt Potsdams Chefdenkmalpfleger.
Anders als beim Potsdam-Center gebe es im Wildpark auch keine Sichtbeziehungen zu den Parks und Schlössern mit Unesco-Schutzstatus. „Selbst wenn, würde eine Straße keine Sichtachse stören.“ Kalesse bestätigt immerhin, dass der Wildpark Denkmalstatus genießt. Doch auch dies sei „eher fragwürdig“. Der Status sei aus DDR-Zeiten übernommen worden, „heute würde ihn niemand mehr für den Wildpark verleihen. So ein Wald ist denkmalpflegerisch schwer zu betrachten.“ Warum die fehlerhafte, 1996 aufgestellte Satzung nicht geändert wurde, begründet Kalesse so: „Es muss nichts geändert werden, wenn sich daraus keine negativen, rechtlichen Folgen ergeben. Der Fehler ist außerdem klar ersichtlich, wenn man sich die gesamte Satzung zur Hand nimmt.“
Peter Kunz nennt die Äußerungen Kalesses „geradezu abenteuerlich“. „Da sieht man, unter welchem politischen Druck der Mann jetzt steht.“ In sämtlichen Monographien zur Potsdamer Kulturlandschaft sei der Wildpark aufgeführt, Kalesse selbst würde seinen literarischen Stellungnahmen widersprechen. Seit 1922 sei der Wildpark unter Schutz gestellt. „Jetzt plötzlich, wo die linke Hand der rechten auf die Finger sieht, soll das alles anders sein?“, wundert er sich.
Die Unesco und der Denkmalpflegerat Icomos hätten zum Weltkulturerbe wiederholt die Berücksichtigung von Pufferbereichen gefordert – schon deshalb könne der Wildpark in der Denkmalbereichssatzung kein Fehler sein. „Es gibt gute Gründe, dass er aufgeführt wird. Und politisch und verwaltungsrechtlich ist der Text entscheidend, der durch die Potsdamer Stadtverordneten verabschiedet wurde“, meint Kunz. Der sei in seiner Formulierung „klar und eindeutig“.
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