Wildparkverein warnt: Wieder ein Potsdamer Kulturdenkmal vor der Zerstörung
17.03.2004

Am 24. März 2004 wird der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages eine für die Kulturlandschaft Potsdam, insbesondere die Havel-Flusslandschaft und den Wildpark und die davon betroffenen Menschen eine Entscheidung von außerordentlicher Tragweite treffen: er wird die Empfehlung abgeben, ob die im Bundesverkehrs-wegeplan 2003 enthaltene „Netzverknüpfung/Ortsumgehung Potsdam/B 1 neu“ aus der Planung herausgenommen oder aber in das 5. Fernstraßenänderungsgesetz aufgenommen wird.
Diese Entscheidung ist deshalb von enormer Bedeutung für die Region, weil die geplante Trasse Naturschutzgebiete wie die Havel-Flusslandschaft durchschneidet und das Einzeldenkmal Wildpark, das zum Schutzbereich der Denkmalbereichsatzung der UNESCO und damit zum Weltkulturerbe gehört, unüberbrückbar in zwei Hälften teilen würde.
Der Wildpark ist Teil der Berlin-Brandenburger Kulturlandschaft, die sich im Nord-Osten von der Pfaueninsel über Sacrow, Glienicke, Neuer Garten, Sanssouci, Neues Palais bis Paretz im Nord-Westen und Caputh, Petzow und Ferch im Süd-Westen er-streckt. Im Kerngebiet der Potsdamer Kulturlandschaft stellt der Wildpark mit 875 ha, nahezu 1/3 der Insel Potsdam, die zentrale Fläche dar.
Der Wildpark gehört zum „Lenné’schen Verschönerungs-Plan der Umgebung von Potsdam“ von 1833. Er wurde ab 1840 angelegt. Ein Teil diente König Friedrich Wil-helm IV als umzäunter Wildpark. Daher rührt der Name. In kulturhistorischer und landschaftsgärtnerischer Hinsicht stellt der Wildpark neben der Lindenallee westlich vom Neuen Palais den zentralen Übergang des höfischen Parks zur geschmückten Havel-Landschaft dar, der deutschen „Flusslandschaft des Jahres 2004“. Der Wildpark insgesamt ist ein Gartendenkmal, das auch heute noch die von Sello um 1865 geschaffenen parkartigen Strukturen des Lenné’schen Konzeptes besitzt, das nach Lenné’s Vorstellung und dem Willen der preußischen Könige den gesamten Bereich zwischen Neuem Palais und der Havel umfasste. Im Wildpark liegen folgende Einzeldenkmäler: die ursprünglichen Eingangstore, d.h. das Nordtor (Kuhfort-Haus), das Südtor (Geltow) und das Sanssouci-Tor; das Hegemeister-Haus (sämtlich Persius-Bauten) und das als Hotel und Restaurant genutzte Bayerische Haus; ferner die Gedenksteine, z.B. an den deutschen Kaiser Wilhelm I.
Auch wenn mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Einmarsch der Roten Armee die Wildbewirtschaftung beendet wurde, die gärtnerische Anlage infolge des Holzbedarfs und kleingärtnerischer Nutzungen in Teilen verwahrloste und in Vergessenheit geriet, die damalige DDR den Wildpark durch den Bau des Berliner Eisenbahnaußenringes im Jahre 1957/59 in einen westlichen und einen östlichen Teil spaltete und Ende der neunziger Jahre die Deutsche Bahn die Trasse erweitert hat, hat der Park seine Bedeutung für die Region nicht eingebüßt. Seit 1942 Naturschutzgebiet und im östlichen Teil Trinkwasserschutzgebiet für die Wasserversorgung Pots-dams und Umgebung sowie Landschaftsschutz- und Baumschutzgebiet ist er im Zusammenhang mit den Havelseen ein entscheidender Faktor für die Reinhaltung der Luft und den Klimaausgleich, letzteres von immenser Bedeutung für den Werderaner Weinbau. Abgesehen davon ist die Lenné’sche Anlage in ihren Grundstrukturen und Sichtachsen erhalten. Die historischen Gebäude sind erhaltungsfähig. Die im Wild-park gelegene Waldschule, auch ein Persius-Bau, wird gerade renoviert. Für das Tourismuskonzept Brandenburgs hat der Wildpark eine hohe Priorität, aber auch als Naherholungsgebiet.
Bei der gebotenen Gesamtschau der Aspekte der Denkmalpflege, des Natur- und Landschaftsschutzes und des Wirtschaftsfaktors Tourismus sind Zweifel angebracht, ob die „Netzverknüpfung/Ortsumgehung Potsdam/B 1“ in dem gesetzlich vorge-schriebenen Planfeststellungsverfahren genehmigungsfähig ist. Dies nicht zuletzt deswegen, weil die Denkmalschutzbehörde – neben der Stadt Potsdam auch die Stif-tung „Preußische Schlösser und der Gärten“ – die bislang an den Planungen noch nicht beteiligt worden ist, die nach § 15 Denkmalschutzgesetz notwendige Erlaubnis für eine Straßenbaumaßnahme, die das Erscheinungsbild und die Substanz des Wildparks und der Insel Potsdam nachhaltig beeinträchtigen würde, nicht erteilen dürfte.
Zwischenzeitlich haben sich entlang der geplanten Trasse eine Reihe von Bürgerini-tiativen und Vereinen gegründet, die sich den Schutz der verschiedenen öffentlichen Belange auf die Fahnen geschrieben haben. Einig sind sich alle in der Bewertung, dass die verkehrliche Notwendigkeit der Netzverknüpfung nicht nachgewiesen und aus den zugrunde gelegten Daten auch nicht nachweisbar ist. So sei das Datenma-terial veraltet und berücksichtige auf der Grundlage von Zahlen aus den Jahren vor 1997 nur die demografische Entwicklung bis zum Jahre 2015 – dem Jahr, in dem die Straße fertiggestellt sein soll. Einig ist man sich auch darin, dass die Strasse nicht zu einer Verkehrsentlastung für Potsdam führen, sondern als Abkürzungsstrecke zwi-schen dem südlichen und westlichen Berliner Ring den Verkehr – insbesondere den LKW-Verkehr zur Umgehung der Maut – erst in die Region bringen wird.
Der am 01.02.2004 gegründete Wildpark e.V. mit jetzt schon 180 Mitgliedern und ei-ner beachtlichen Anzahl Juristen im Vorstand hat sich vorgenommen, den „Wildpark – Lenné’s vergessener Garten in Potsdam“ zu erhalten. Der Verein stellt die Frage nach der Rechtfertigung der immensen Planungskosten, wenn bislang noch nicht einmal die Denkmalbehörden um die gesetzlich notwendige Erlaubnis zum Straßenneubau gefragt worden seien. Der Vorstand des Vereins hat den Planungsträger, den Vorsitzenden des Bundesverkehrsausschusses und den Oberbürgermeister der Stadt Potsdam darauf hingewiesen, dass die Aufnahme der „Ortsumgehung B1 neu“ in das 5. Fernstraßenänderungsgesetz wegen offensichtlicher Planungsmängel rechtswidrig sei. Schon das ruhende Raumordnungsverfahren habe die Gesamtzahl aller Bedenken – Denkmal-, Natur-, Landschaft- und Lärmschutz sowie Kosten-Nutzen-Relation angesichts der zweifelhaften verkehrlichen und demografischen Prognosen – aufgezeigt. Es müsse die Frage gestellt werden, wer für den Schaden einzustehen habe, der durch die Kosten eines von vornherein zum Scheitern verurteilten Raumordnungsverfahrens vor der Gemeinsamen Planungsstelle Berlin-Brandenburg entstehe.
Abgesehen davon, so der Vereinsvorsitzende Dr. Rosenkranz, sei es an der Zeit, aus gemachten Fehlern zu lernen. Nach der Sprengung von Stadtschloss und Garnisonskirche, dem Bau der Bahnstrecke durch den Wildpark und der Planung und Er-richtung des Potsdam-Centers sollten die Auswirkungen von Eingriffen in die hochsensible Kulturlandschaft der Insel Potsdam, die immerhin im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehe, vor ihrer Durchführung gründlich geprüft werden. Potsdam sollte sich nicht zur Gewohnheit werden lassen, nahezu unwiederbringliche Kulturdenkmale erst einmal zu zerstören, um sie sodann mit immensem Aufwand wiederherzustellen.